Kriegsende 1945

Spuren des Angriffs im April 1945 am Zaun der Villa. 2013
Spuren des Angriffs im April 1945 am Zaun der Villa. 2013

Zum Kriegsende 1945 in unserem Dorf und dessen Umgebung gibt es einige seltene Zeitzeugenberichte, welche in diesen Abschnitt einfließen werden. Einen äußerst detaillierten und interessanten Bericht hat uns Otto Heinrich Freiherr von Houwald (1898-1961), der letzte Besitzer der Herrschaft Straupitz, hinterlassen…

 

…In allen Dörfern entstanden Straßensperren, in unseren Forsten wurde in Anlehnung an die Seenkette vom Mochower See beginnend bis nach Byhleguhre und Byhlen Panzerhindernisse gebaut… Lübben wurde zur Festung erklärt, später auch Straupitz und Neuzauche; beide Dörfer wurden entsprechend ausgebaut…

 

Mit der Führung und Ausbildung des Straupitzer Volkssturmes wurde ein Hauptmann Fischer von Lübben in den Ort kommandiert. Gefechtsstand war anfangs die obere Etage beim Kaufmann Schulze.

 

…Männer und Frauen, auch die Meine und Schwester Ruth, die zu uns evakuierten Damen und unser Hauspersonal schippten und schanzten den ganzen Tag. Der Strom der Flüchtlinge, der von Mitte Januar an in großen Trecks bei uns durchgezogen war und beim Übernachten Schloss, Hof und Dorf füllte… begann langsam zu versiegen. Dafür kamen Truppeneinheiten ins Quartier zu uns…

 

Auf dem Straupitzer Gut wurde ein Pferdelazarett eingerichtet, später ein Hauptverbandsplatz, ukrainische Freiwillige kampierten fast eine Woche in der langen Gutsscheune und zwischenzeitlich war auch General A. A. Wlassow (1901-1946), der Befehlshaber der Russischen Befreiungsarmee (ROA) mit seinem Stab untergebracht.

 

…Als letzte militärische Verteidigungsanlage wurde schließlich quer durch unseren Forst, entlang der Seen ein ca. 200m breiter Streifen kahl geschlagen und eine HKL [Hauptkampflinie] gebaut. Uns blutete das Herz, aber es half nichts. Ich selbst fuhr täglich im Holzkohlengas-PKW „Adler“ oder mit Pferden zusammen mit Hauptmann Fischer zu den einzelnen Baustellen und hielt mich fast den ganzen Tag im Gefechtsstande bei Kaufmann Schulze auf, bzw. nahm an von Fischer veranstalteten Planspielen in der Schule an der Kastanienallee teil…

 

…Dann erfolgte am 21. April mittags der erste Luftangriff auf das liebe Straupitz. Ich saß mit Hptm. Fischer auf dem Gefechtsstand bei Schulzens als die Bomben fielen. Äste prasselten von den Kastanien, Fenster splitterten, das ganze Gebäude wackelte als wollte es zusammenstürzen. Hauptm. Fischer erfasste als Frontsoldat sofort die Lage, sauste aus dem Zimmer die Treppe hinunter, ich langsam hinterher. Wir versammelten uns vor dem Eingang von Schulzens Warenkeller auf dem Hofe und nahmen darin zeitweilig Deckung wenn sich wieder Motorengeräusch näherte…

 

 

Dieser erste Angriff hatte zu einigen Opfern geführt. An der Pfarrscheune lag ein gefallener Sanitäter, auf dem Grundstück gegenüber brannte der Stall und das Vieh musste schnell herausgeführt werden. Die Türme der Kirche zeigten erste Einschläge von Bordwaffen. In der Gärtnerei wurden fast alle Scheiben der Treibhäuser und Frühbeete zersplittert und die gläserne Veranda der Villa war zerstört. Auf dem Gatt wurde Fr. Röhr, die Ehefrau eines aus Berlin evakuierten Kaufmannes getötet.


…Als ich zwischen Magazin und dem Schlosshof entlang ging, brummten wieder Tiefflieger heran und eröffneten sofort das Feuer mit den Bordwaffen. Schnell sprang ich in den Graben beim Beerengarten und nahm volle Deckung. Zweige der Linden des Schlossganges fielen auf mich und zwei, drei Soldaten die sich neben mich geworfen hatten. Der Lustgartenzaun wurde zersplittert. Das Ziel des Angriffes war das Dorf gewesen, hauptsächlich die Straße Cottbus – Burg – Straupitz - Lübben, welche ständig von durchfahrenden Kolonnen wimmelte…


Einen heftigen Luftangriff flog die sowjetische Luftwaffe am 22. April gegen das Schlossgut. Außer einigen Gehöften im Dorfe erhielt dieses Mal auch das Kirchenschiff einen Bombentreffer. Die im Tiefflug ausgeklinkte Bombe durchschlug den hinteren Kirchgiebel fast mittig, und schleuderte die Schuttmassen durch die Apsis auf den Altar. Die Gärtnerei erhielt mehrere Treffer kleinerer Bomben. Der hintere Teil der Brennerei stürzte unter einem Reihenwurf ein und die Gärten hinter dem Turmgebäude wurden ebenso arg getroffen. Auf dem Schlosshof und am Eiskellerberg entstanden größere und kleinere Trichter, eine Bombe zerstörte das hintere Gutstor samt den Pfeilern. Fast alle Dächer wurden beschädigt und viele Fenster des Schlosses durch die enormen Detonationen zersplittert.


…Der Hauptverbandplatz rüstete ab und war am nächsten Morgen unter Zurücklassung zweier gestorbener Verwundeter, welche unter der alten Platane im Schlossgarten lagen, abgerückt.

 

In der Hoffnung rechtzeitig Treckerlaubnis zu erhalten, hatten wir alles vorbereitet, Ackerwagen zurecht ziehen lassen und die Menschen auf die Fahrzeuge listenmäßig verteilt. Forstmeister Fromke hatte dasselbe für das Forstpersonal getan…

 

…Ich selbst hielt mich wieder auf dem in die Schule an der Kastanienallee verlegten Gefechtsstande auf, als am 23. April kurz vor Mittag, der Ortsgruppenleiter Alfred Schmidt und Bürgermeister Kotscher mit der Nachricht erschienen, der Bevölkerung würde nunmehr erlaubt zu trecken und sich in Sicherheit zu bringen, der Volkssturm war aufgelöst, ich schickte die Männer nach Hause. Aus dem schon listenmäßig geplanten größeren Dorftreck wurde nichts, da die Wehrmacht bei den Bauern und bei mir auf dem Hofe inzwischen alle Pferde und Wagen fortgeholt hatte. Gutsinspektor Mattag versuchte sich dagegen zur Wehr zu setzen, ich traf ihn mit der Pistole in der Hand bei einem heftigen Wortwechsel mit einem Infanterie-Feldwebel an der Ecke der Pfarrscheune und ohne mein Dazwischengehen, hätte dieser den Inspektor womöglich umgelegt, viel fehlte nicht mehr daran…

 

…Im Weinbergkeller am Friedhof hatten sich außer den Meinen auch eine Menge Menschen aus dem Dorfe in Sicherheit gebracht denen ich Bescheid gab, dass wir um halb 9 Uhr abends losfahren wollten, aber die Meisten hatten sich zum Bleiben entschlossen…

 

…Wegen weiterer Luftangriffe mussten wir verschiedentlich den Schulkeller aufsuchen. Am Horizont standen überall Rauchwolken und abends ging nach Fliegerbeschuss auch unsere Feldscheune am Bahnhof in Flammen auf…

 

… Als wir erfuhren, die ersten Russen hätten den Weinberg am Friedhof erreicht wurde es höchste Zeit, Hauptmann Fischer drängte nun zum Aufbruch. Uns begleiteten Kaufmann Schulze mit Frau, 5jährigem Adoptivsohn, zwei weiblichen und einem männlichen Angestellten, diese zum Teil auf Rädern. Dann unser langjähriges schlesisches Dienstmädchen Elfriede mit 3jährigem Töchterchen, der Schullehrer Walter Mak und Rendant Güthler auf Rädern, die Sekretärin Fischers und eine evakuierte Offiziersfrau aus Berlin nebst Kind und alter Mutter…

 

Der Treck ging geradewegs die Kastanienallee entlang über Neuzauche, Groß Leine, Neu Lübbenau und geriet mit zehntausenden anderen Flüchtlingen und Soldaten in den Kessel von Halbe.

 

Otto Heinrich von Houwald versuchte sich mit Ehefrau Waltraut und Sohn Hubertus weiter nach Westen durchzuschlagen, wurde beim Verlassen eines Waldverstecks hinterrücks angeschossen, schwer verletzt und gefangen. Frau und Sohn kehrten nach Straupitz zurück, wurden nach Lübben/Neuhaus und von dort wiederum am 1. Dezember 1945 in die Westzone ausgewiesen.

 

Otto Heinrich durchlitt die Gefangenschaft in Kellern von Lieberose und Guben, dem Cottbuser Gefängnis und schließlich die Haft im ehemaligen STALAG III in Sagan.


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Durch den Befehl der Wehrmachtsführung im April 1945 Straupitz zur "Festung" zu erklären, baute man das Dorf entsprechend aus. In Smarse Gora (Kuckatz) wurden mehrere 2cm Vierlingsflak aufgestellt.

Ebenso eine 2cm Flak vor Tierarzt Walter [ehem. Gemeindeamt] und rechts von der Molkerei in Stellung gebracht. Auf dem Sportplatz hinter der Schule an der Kastanienallee wurden Splittergräben mit Panzerfauststellungen ausgehoben. Hinter dem Schreschasch-Lug nördlich des Dorfes, bezog ein Raupenschlepper-Ost (RSO) mit Flieger-MG seine Stellung- er schoss eine russische Maschine hinter dem Dutzend-See ab [Fliegerberg] und es wurden an verschiedenen Straßenstellen Panzersperren errichtet und am Nordhang des Neu Zaucher Weinberges eine Infanterie-Verteidigungsstellung ausgehoben.

 

Durch einen Zeitzeugen konnte die Variante und Position dieser Panzersperranlagen rekonstruiert werden:

Diese Sperren bestanden aus Holzstämmen und konnten in ihrer schweren Ausführung nur einmal geschlossen werden. Wäre Panzeralarm gegeben worden, hätte man die Verankerungen des aufrecht stehenden Sperrbündels entfernt, es umgedrückt und somit die Sperre geschlossen. Da die Rote Armee den Ort am 23./24. April weitgehend infanteristisch einnahm, blieben diese Sperren bis zuletzt "ungenutzt".

1 Großes Sperrbündel      2 jeweils ein Riegelbündelpaar
1 Großes Sperrbündel 2 jeweils ein Riegelbündelpaar
Zeitzeuge des Kriegsendes in Straupitz. Deutscher Stahlhelm M35, Waldfund nördlich des Dorfes 1990.
Zeitzeuge des Kriegsendes in Straupitz. Deutscher Stahlhelm M35, Waldfund nördlich des Dorfes 1990.




Ortsschild mit Zusatz an der Cottbuser Straße, 1945.
Ortsschild mit Zusatz an der Cottbuser Straße, 1945.

Raband & Urspruch

Ortschronisten und Heimatforscher